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Die Stimme von Kinan Alzouhir: zwischen Frankreich und Syrien

Veröffentlichungsdatum:07/06/16

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Als er im Oktober zu den Sacrées journées de Strasbourg, einem Festival für interreligiöse Musik, eingeladen wurde, kehrte der junge syrische Opernsänger nicht wieder nach Hause zurück. Während er darauf wartet, einen Flüchtlingsstatus zu bekommen, bringt er die Reibungen zwischen zwei Kulturen und seine unerschütterliche Leidenschaft für Musik zu Sprache.


Breitschultrig wie ein Möbelpacker und mit einem Tattoo auf dem Arm hinterlässt Kinan einen bleibenden Eindruck. Die Stattlichkeit behält er auch auf der Bühne bei. Kürzlich hat er sein Talent in der „Cafèt des Sciences“ der Universität anlässlich des Empfangs für syrische Studierende auf der Flucht vorgeführt, bei dem er traditionelle syrische Gesänge intonierte, die die Anwesenden im Chor wiederholten. Einige Monate zuvor trat er im Münster von Strasbourg auf, wo er die Sacrées journées eröffnete. „Ich habe in allen Strasbourger Kirchen gesungen“, verkündet er, nicht ohne Stolz in seiner ruhigen Stimme, mit einem schüchternen Lächeln. Durch die Vermittlung seines älteren Bruders Karam, der mit dem Programm der Sacrées journées betraut ist, wird Kinan eingeladen, in Strasbourg zu singen. Letzten Oktober kommt er in Begleitung seiner 20 Kollegen des Sankt-Ignazios-Chors in der elsässischen Hauptstadt an. Nicht ohne Komplikationen: Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve muss eingreifen, um die Situation der Chormitglieder zu entschärfen, deren Visa von der französischen Botschaft im Libanon abgewiesen wurden. Kinan studiert eigentlich am Höheren Institut für Musik von Damaskus und war überzeugt, nach dem Festival wieder nach Hause zu reisen. Dennoch ist er acht Monate später immer noch in Strasbourg. Er besucht dort Kurse am Institut international d’études françaises (IIEF) und ist gut in das lokale protestantische Netzwerk integriert. Er lebt im Wohnheim des Stifts, wo er seine Freundin Charlotte kennengelernt hat, die Medizin studiert. Er entdeckt das Elsass und seine Gastronomie im Wohnmobil eines seiner Onkel, der sich vor langer Zeit hier als Professor niedergelassen hat. Und, obwohl er bei seiner Ankunft in Frankreich angab, nicht „Flüchtling werden“ zu wollen, wartet er jetzt auf die Entscheidung der Behörden, um diesen Status zu bekommen. Die Gefahren und Entbehrungen des Kriegs sowie das ständige Risiko, in die Armee eingezogen zu werden, bestärken seinen Entschluss, ebenso wie die Hindernisse bei der Ausübung seiner Leidenschaft: „Je nach Tag habe ich ein bis zwei Stunden gebraucht, um zum Üben zu gehen“, abhängig von den Kontrollposten und beim Versuch, Granaten, Auto- und Fahrradbomben auszuweichen. Seine Professoren haben Syrien nach und nach verlassen. Glücklich Erinnerungen stammen aus den Zeiten vor dem Krieg: Kinan, zunächst Oud-Spieler (eine orientalische Laute), versucht sich im Basketball und in Jura, bevor er sein Berufung findet, entdeckt von einem seiner Professoren: seine Baritonstimme ermöglicht es ihm, Opernsänger zu werden. „Wenn ich könnte, würde ich die ganze Zeit singen“ Wenn er sein Land erwähnt, verdunkelt sich Kinans Gesicht. Sein Tattoo, das Jesus am Kreuz darstellt? Sein Schöpfer hatte nicht die Zeit, es fertig zu stellen. „Tot.“ Seine Bekannten, seine Freunde? „Geflohen, oder tot.“ Er zeigt sein Handy: von 500 Kontakten bleiben nur 140. „Am Anfang weint man, wenn man erfährt, dass ein Freund gestorben ist. Dann werden es immer mehr Tote. Man weint nicht mehr.“ Er erinnert sich schmerzhaft an Kinder, die in den Straßen von Damaskus Krieg spielten und die sich vorstellten, Dschihadisten zu sein. „Sobald der Krieg vorbei ist, gehe ich heim“, versichert er, fest entschlossen, eine Vorbildrolle für sein Land einzunehmen, in dem er vor dem Konflikt bereits bekannt war und Kinderchöre leitete. Verbittert wird er auch beim Vergleich der bevorzugten Behandlung, die ihm in Frankreich zuteilwird, umgeben von seiner Familie, als Protestant und Opernsänger – einer in der westlichen Kultur fest verankerten Disziplin – mit der Behandlung, die seinen muslimischen Landsleuten entgegenschlägt. Er hofft nach wie vor, Musik zu seinem Beruf machen zu können und hat am IIEF die Idee eingebracht, bei Konzerten eingenommenes Geld für Studierende auf der Flucht zur Verfügung zu stellen. „Wenn ich könnte, würde ich die ganze Zeit singen.“ Davon musste ihn sein Bruder abhalten – zum Beispiel in der Präfektur! Die Eltern von Kinan und Karam sind in Syrien geblieben. Ihr Vater ist Fahrradreparateur und großer Liebhaber von Edith Piaf und Pavarotti. Er hat sie angesteckt. Karam ist Bratschist, hat Syrien Ende 2011 verlassen und sein Musikstudium im Jahr 2015 abgeschlossen. Kinan hingegen übt, während er das Urteil des französischen Büros für Immigration und Integration (Office Français de l'Immigration et de l'Intégration, OFII) abwartet, weiter sein Repertoire: „arabischer, byzantinischer, syrischer, orthodoxer Gesang und deutsche Oper…“ Und er verbessert sein Französisch. Das kontrolliert Charlotte: „Wenn er keine Fortschritte macht, zwinge ich ihm meinen vegetarischen Speiseplan auf.“ Sein Projekt für diesen Sommer: „Bis zum Meer kommen“, das er seit fünf Jahren nicht gesehen hat.

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